FAQ

Was ist ein Wildbach?

Wildbäche sind oberirdische Gewässer mit

  • zumindest streckenweise großem Gefälle,
  • rasch und stark wechselndem Abfluss und
  • zeitweise hoher Feststoffführung (Schlamm, Sand, Geröll, Holz).

Warum ist der Kienbach als Wildbach eingestuft?

Der Kienbach unterscheidet sich sicherlich in gewisser Weise von den klassischen alpinen Wildbächen.
Das relativ hohe Gefälle, v.a. im Schluchtlauf südlich von Herrsching, der stark wechselnde Abfluss (über weite Strecken des Jahres fließen im Kienbach nur zwischen ca. 20 und 100 l/s; bei Hochwasser können dagegen 10 m³/s und mehr abfließen) sowie insbesondere das sehr hohe Schwemmholzpotenzial im Schluchtlauf machen den Kienbach zu einem Wildbach.

Warum muss der Kienbach saniert werden? / Was ist der Anlass für die Planungen des Wasserwirtschaftsamtes?

Die bestehende Uferverbauung des Kienbachs im innerörtlichen Bereich von Herrsching befindet sich über weite Strecken in einem schlechten bis sehr schlechten Zustand. Insofern ist die Sanierung der Uferverbauung dringend erforderlich, um zum einen die zahlreichen Gebäude, Nebengebäude und Verkehrsflächen, die sich zum Teil direkt auf bzw. neben der Ufersicherung befinden, dauerhaft zu schützen bzw. im Bestand zu sichern. Zum anderen, um den derzeit bestehenden Hochwasserschutz für den Ortsbereich Herrsching aufrecht zu erhalten.
Im Zuge dieser zwingend erforderlichen Sanierungsmaßnahmen soll der Hochwasserschutz am Kienbach verbessert werden, da dies mit verhältnismäßig geringem Mehraufwand erreicht werden kann. Damit hätte die Gemeinde Herrsching am Kienbach einen Hochwasserschutz, der standardmäßig an Wildbächen in ganz Bayern angestrebt wird.

Winter 2021/2022:
Es wurden alle bestehenden Bauwerke am Kienbach augenscheinlich hinsichtlich Standsicherheit, Dauerhaftigkeit, möglichem Schadenspotenzial bei Versagen und hydraulischer Leistungsfähigkeit des jeweiligen Bachabschnittes bewertet.

Stand 04/2022:
Als vorläufiges Ergebnis ist festzuhalten, dass knapp 14 % der Bauwerke schnellstmöglich und weitere rund 55 % kurz- bis mittelfristig saniert werden müssen (siehe auch Präsentation Gemeinderatssitzung vom 25.04.2022 unter Weiterführende Informationen). Eine abschließende Bewertung ist erst nach Vorlage der Baugrunderkundungen und des darauf aufbauenden Geotechnischen Gutachtens möglich.

Welches Hochwasserereignis bzw. welcher Hochwasserabfluss ist für die Planung von Hochwasserschutzmaßnahmen maßgeblich?

Standard an bayerischen Flüssen und Bächen ist die Auslegung des Hochwasserschutzes auf ein hundertjährliches Hochwasserereignis, d.h. einen Hochwasserabfluss, der statistisch einmal in 100 Jahren auftritt (HQ100). Dieser Wert wird je nach vorhandenen Daten auf Grundlage von vorhandenen Pegelmesswerten und / oder durch ein hydrologisches Modell, welches u.a. Niederschlagsdaten sowie Größe, Relief, Bodenarten und Landnutzung des Einzugsgebiets berücksichtigt, ermittelt. Seit 2004 wird bei Hochwasserschutzmaßnahmen in Bayern zudem ein Klimaänderungsfaktor in Höhe von 15 % angesetzt, um der durch den Klimawandel bedingten Verschärfung der Niederschlags- und Hochwasserereignisse Rechnung zu tragen.
Schließlich wird an Wildbächen noch der mögliche Geschiebetrieb durch einen Geschiebezuschlag sowie die Gefahr durch Schwemmholz berücksichtigt.

Wie ist die Hochwassersituation in Herrsching?

Bei einem hundertjährlichen Hochwasserereignis am Kienbach gibt es nach den standardisierten hydraulischen Berechnungen von Überschwemmungsgebieten an Wildbächen in Herrsching nur kleinere Ausuferungen im Bereich der 90°-Kurve in Richtung Ammersee. Die hiervon betroffenen Gebäude sind gelb eingefärbt.

Bild vergrössernVorläufig ermitteltes Überschwemmungsgebiet bei HQ100Wildbach am Kienbach


 

 

 

 

 

 

Die oben dargestellte Situation setzt allerdings die volle Funktionsfähigkeit der vorhandenen Ufersicherungen voraus. Um weiterhin den bestehenden Hochwasserschutz gewährleisten zu können, müssen die vorhandenen Ufersicherungen in weiten Bereichen saniert werden. Hierzu liegt die Zuständigkeit und Verpflichtung gemäß Wasserhaushaltsgesetz und Bayerischen Wassergesetz beim Freistaat Bayern vertreten durch das Wasserwirtschaftsamt Weilheim.

In der nachfolgenden Abbildung sind beispielhaft die Auswirkungen eines Versagens einer Ufermauer bei einem hundertjährlichen Hochwasserereignis dargestellt. Durch den Einsturz der Mauer kommt es zu einer teilweisen Verlegung des Abflussquerschnittes und damit verbunden zu einem Wasserrückstau im Kienbach und schließlich zu Ausuferungen. Die blau dargestellten, direkt an den Ammersee angrenzenden Überschwemmungsflächen sind hierbei vom Ammerseehochwasser betroffen.

Bild vergrössernMögliche Überschwemmungsfläche bei Versagen einer Ufermauer

 

 

 

 

 

 

 

 

Was bedeutet Freibord und warum muss dieser am Kienbach berücksichtigt werden?

Der Freibord ist der lotrechte Abstand zwischen dem Bemessungswasserspiegel (i.d.R. hundertjährliches Hochwasser zzgl. 15 % Klimaänderungsfaktor) und der Oberkante einer Ufer- oder Hochwasserschutzwand bzw. der Unterkante von Brücken.

Bild vergrössernSchematische Darstellung Freibord im überdeckten Gerinne

Durch den Freibord soll eine Überströmung der Anlagen bei Wellenschlag oder Windstau verhindert sowie die Gefahr von Verklausungen (Verlegung des Abflussquerschnittes durch Schwemmholz) vermindert werden. Am Kienbach ist der Wellenschlag und insbesondere die Gefahr durch Schwemmholz relevant.
An Wildbächen ist in der Regel ein Freibord von mindestens 1 m zu berücksichtigen. Unter bestimmten Voraussetzungen kann dieser Wert auf 0,5 m reduziert werden (siehe Frage zum Schwemmholzrückhalt).

Wie läuft der Planungsprozess und die Umsetzung ab?

  • Bewertung der vorhandenen Bauwerke hinsichtlich Standsicherheit, Dauerhaftigkeit, möglichem Schadenspotenzial bei Versagen und hydraulischer Leistungsfähigkeit.
  • Darauf aufbauend Priorisierung der Sanierung der einzelnen Bauwerke und Bildung von sinnvollen Sanierungsabschnitten.
  • Erarbeitung von Maßnahmenvorschlägen inkl. Untersuchung verschiedener Varianten zur Sanierung sowie zusätzlichen Verbesserung des Hochwasserschutzes und der Gewässerstruktur, insbesondere der biologischen Durchgängigkeit.
  • Erstellung des Landschaftspflegerischen Begleitplans (LBP), umfangreicher Kartierungsleistungen, der Speziellen artenschutzrechtlichen Prüfung (saP) und der FFH-Verträglichkeitsabschätzung (FFH-VA).
  • Abschnittsweise Beteiligung der Gemeinde und der betroffenen Anlieger sowie der zuständigen Stellen im Landratsamt (u.a. Wasserrecht, Naturschutz, Bodenschutz), der Träger öffentlicher Belange und anerkannten Verbände (u.a. Fischereifachberatung, AELF, BUND, LBV).
  • Erarbeitung der jeweiligen Vorzugsvariante unter Berücksichtigung der verschiedenen Randbedingungen (siehe unten).
  • Abschnittsweise Beantragung einer Planfeststellung (Die Planung wird im Rahmen des Planfeststellungsverfahrens öffentlich ausgelegt.)
  • Abschnittsweise Umsetzung der Maßnahmen nach erteiltem Planfeststellungsbeschluss.
  • Regelmäßige Information über den aktuellen Stand über diese Projektseite.
  • Information über wesentliche Planungsschritte und -ergebnisse in Gemeinderatssitzungen.
  • Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass bei Gefahr in Verzug einzelne akut gefährdete Abschnitte vorgezogen saniert werden müssen.

Welche Randbedingungen beeinflussen die Maßnahmenauswahl bzw. die Variantenuntersuchung?

In den letzten gut 100 Jahren ist die Bebauung aufgrund der Siedlungsentwicklung immer näher an den Kienbach herangerückt, so dass dieser über weite Strecken in Herrsching nur noch eine Breite von ca. vier bis fünf Metern aufweist und die Ufer zudem steil verbaut sind.
Grundsätzlich strebt das Wasserwirtschaftsamt eine/n möglichst naturnahe Sanierung und Ausbau des Kienbachs an. Wo es möglich ist, sollen u.a. naturnähere und flachere Ufer, am besten mit Zugangsmöglichkeiten zum Bach, hergestellt sowie die biologische Durchgängigkeit durch Rückbau von bestehenden Abstürzen verbessert werden.

Die Maßnahmenauswahl wird insbesondere durch folgende Randbedingungen beeinflusst:

  • Hydraulische Leistungsfähigkeit des Kienbachs, erforderlicher Abflussquerschnitt
  • Grundstücksverfügbarkeit
  • Bodenverhältnisse
  • ökologische Verbesserungen (naturnähere Ufergestaltung, Verbesserung der biologischen Durchgängigkeit (Fische und andere aquatische Kleinlebewesen)
  • Verbesserung der Erlebbarkeit und Zugänglichkeit des Kienbachs (Sozialfunktion des Gewässers)
  • möglichst geringe Eingriffe in die Natur (detaillierte Behandlung im Rahmen der parallel laufenden Umweltplanungen)
  • Landschafts- bzw. Stadtbild
  • Technische und wirtschaftliche Umsetzbarkeit
  • Nutzung von Synergieeffekten

Einige Randbedingungen beeinflussen sich positiv bzw. können teilweise gemeinsam realisiert werden. So kann die biologische Durchgängigkeit und gleichzeitig die hydraulische Leistungsfähigkeit verbessert werden, wenn bestehende Abstürze teilweise rückgebaut werden.
Andererseits gibt es auch Randbedingungen, die unter einander konkurrieren. So kann sich eine naturnähere und flachere Ufergestaltung negativ auf den Erhalt einzelner Gehölze auswirken bzw. umgekehrt der Erhalt von Gehölzen eine naturferne Ufersicherung bedingen.
Die einzelnen Randbedingungen werden deshalb im Planungsprozess detailliert untersucht und abgewogen. Eine abschließende Abwägung findet schließlich im Rahmen des Planfeststellungsverfahrens durch die Genehmigungsbehörde statt.

Warum sind Baugrunderkundungen (Bohrungen, Schürfe mit Schreitbagger) erforderlich?

Die möglichst genaue Kenntnis des Baugrundes ist zum einen für die abschließende Bewertung einiger bestehender Bauwerke (hierfür sind insbesondere die Erkenntnisse aus den Schürfen mit dem Schreitbagger sehr wichtig), zum anderen als Grundlage für die Sanierungs- und Ausbauplanung inklusive der Kostenberechnung sehr wichtig.
Ungenaue Kenntnisse des Baugrundes können dazu führen, dass höhere Sicherheiten bei der statischen Dimensionierung angesetzt werden und das Bauwerk hierdurch massiver wird.

Warum ist der Bau eines Schwemmholzrückhaltes südlich der Ortschaft Herrsching geplant?

Der Kienbach weißt im Schluchtlauf ein sehr hohes Schwemmholzpotenzial auf.

Bild vergrössernVorhandenes Totholz im Bereich des Kienbachs

Dieses hohe Schwemmholzpotenzial in Verbindung mit dem größtenteils sehr engen Gerinne und den zahlreichen Brücken und Stegen in Herrsching bergen ein hohes Gefahrenpotenzial für den Ort bei Hochwasser.
Um diese Gefahr zu minimieren wird der Bau eines Schwemmholzrückhaltes als essentiell angesehen.
Ohne den Bau eines Rückhalts südlich der Ortschaft könnte der erforderliche Freibord nicht auf 50 cm reduziert werden. An den Uferwänden, Brücken und Stegen müsste ein Freibord von 1 m hergestellt werden. Dies ist zum einen technisch kaum umsetzbar und hätte zum anderen deutlich höhere Eingriffe in den Bestand sowie das Landschafts- und Stadtbild zur Folge.

Können durch Maßnahmen im Oberlauf (z. B. Rückhaltebecken südlich des Schluchtlaufes) die erforderlichen Maßnahmen im innerörtlichen Bereich reduziert werden?

Die Sanierung der Uferverbauung ist erforderlich, um die zahlreichen Gebäude, Nebengebäude und Verkehrsflächen, die sich zum Teil direkt auf bzw. neben der Ufersicherung befinden, dauerhaft zu schützen und im Bestand zu sichern. Dabei handelt es sich um eine gesetzliche Verpflichtung zur Sanierung, die beim Freistaat Bayern, vertreten durch das Wasserwirtschaftsamt Weilheim liegt. Sie besteht völlig unabhängig von der Höhe des Hochwasserabflusses.
Ein Rückhalt im Oberlauf hätte somit nur einen Einfluss auf die Maßnahmen, die zur Schaffung des zusätzlichen Hochwasserschutzes erforderlich sind.
Das Einzugsgebiet des Kienbachs teilt sich in zwei sehr unterschiedliche Teileinzugsgebiete. Ein langgestrecktes, relativ flaches Teileinzugsgebiet im Süden und ein kürzeres, steiles Einzugsgebiet im Norden. Da die beiden Teileinzugsgebiete sehr unterschiedlich reagieren, würde ein Rückhalt im Oberlauf nur eine kleine Abflussreduzierung für Herrsching bewirken. Würde man auf die Verbesserung des Hochwasserschutzes verzichten, so hätte dies nicht zur Folge, dass Maßnahmen entlang des Kienbachs ganz entfallen könnten.

Können durch besseres Regenwassermanagement die erforderlichen Maßnahmen im Ortsbereich reduziert werden?

Ein gut durchdachtes Regenwassermanagement ist grundsätzlich zu begrüßen. Allerdings sind seltene und außergewöhnliche Starkregen allein mit einer naturnahen Regenwasserbewirtschaftung und öffentlichen Entwässerungsanlagen nicht zu beherrschen.
Auf die ohnehin erforderlichen Sanierungsmaßnahmen hat dies keine Auswirkungen (siehe oben).

Was ist Gewässerunterhaltung und wer ist hierfür zuständig?

Die Gewässerunterhaltung umfasst nach § 39 WHG die Pflege und Entwicklung eines oberirdischen Gewässers als öffentlich-rechtliche Verpflichtung (Unterhaltungslast).

Zur Gewässerunterhaltung gehören insbesondere:

  • die Erhaltung des Gewässerbettes, auch zur Sicherung eines ordnungsgemäßen Wasserabflusses,
  • die Erhaltung der Ufer, insbesondere durch Erhaltung und Neuanpflanzung einer standortgerechten Ufervegetation, sowie die Freihaltung der Ufer für den Wasserabfluss,
  • die Erhaltung und Förderung der ökologischen Funktionsfähigkeit des Gewässers insbesondere als Lebensraum von wild lebenden Tieren und Pflanzen,
  • die Erhaltung des Gewässers in einem Zustand, der hinsichtlich der Abführung oder Rückhaltung von Wasser, Geschiebe, Schwebstoffen und Eis den wasserwirtschaftlichen Bedürfnissen entspricht.

Zuständig für die Unterhaltung von ausgebauten Wildbächen ist nach Art. 22 Abs. 2 Satz 3 BayWG der Freistaat Bayern. Die Unterhaltung wird von den örtlichen Wasserwirtschaftsämtern ausgeführt. Bei allen Unterhaltungsmaßnahmen wird der Artenschutz berücksichtigt.

Eine zentrale Aufgabe der Gewässerunterhaltung innerorts ist das Freihalten des Gewässerquerschnittes für den Wasserabfluss. Auch sind die Uferbefestigungen regelmäßig auf Risse, Verformungen, Unterspülungen, etc. zu kontrollieren. Die Standsicherheit muss auch bei Hochwasser gewährleistet sein.

Führt eine Nicht- oder Schlechterfüllung der Unterhaltungspflicht zu Schädigungen Dritter können zivilrechtliche Schadensersatzansprüche bestehen (§ 823 Abs. 1 BGB).

Insofern steht die Unterhaltspflicht im Spannungsfeld all dieser Belange.






Ihre Ansprechpartner im Wasserwirtschaftsamt:

Frau Sigrun Frank, Tel. 0881 / 182-209
Herr Johannes Haas, Tel. 0881 / 182-127

Stand:
Januar 2023